„In Krisenzeiten steht unser Land zusammen“
Den „zivilen Umgang unter Demokratinnen und Demokraten gilt es zu schützen und zu bewahren, denn er ist kostbar“, so Scholz weiter. Die Demokratie brauche „ein Verständnis von Gemeinsamkeit, die wir trotz unserer unterschiedlichen Ansichten, Herkunft und Überzeugungen in unserem Land teilen“. Deutschland sei nur dann stark, „wenn wir es zusammenhalten“.
Scholz verwies auf Befürchtungen, wonach dieses Verständnis von Gemeinsamkeit zerbröckele und die Fliehkräfte immer stärker würden. „Dieses Risiko dürfen wir nicht unterschätzen“, sagte er. „Und doch haben die vergangenen Jahre auch gezeigt: Gerade in Krisenzeiten steht unser Land zusammen – und wächst dadurch über sich hinaus.“
„Habe Verantwortung gerne getragen“
Er verwies auf die große gesellschaftliche Solidarität etwa während der Corona-Pandemie, bei der Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge und bei der Energiekrise infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine. „Diesem Deutschland als sein Bundeskanzler zu dienen, das war und das bleibt die Ehre meines Lebens“, sagte Scholz.
„Ich habe diese große Verantwortung immer gern getragen – und spreche das auch deshalb aus, weil man das einem Norddeutschen wie mir vielleicht nicht immer gleich im Gesicht ablesen kann.“
Scholz wünscht Merz „eine glückliche Hand“
Seinem designierten Nachfolger Merz, der gemeinsam mit seiner Frau Charlotte in der ersten Reihe saß, wünschte Scholz für alle Aufgaben und Herausforderungen „viel Erfolg, Fortune und eine glückliche Hand“. „In schweren Stunden, die es sicherlich ebenfalls geben wird, wünsche ich Ihnen Begegnungen, aus denen Sie Kraft und Zuversicht schöpfen können.“
Er selbst habe solche Begegnungen immer wieder mit Bürgerinnen und Bürgern gehabt, „die Zusammenhalt über Spaltung stellen“. „Ein Land, das solche Bürgerinnen und Bürger hat, muss keine Angst vor der Zukunft haben.
Buschmann, Habeck und Baerbock dabei
Auf der Tribüne kam die zerbrochene Ampel-Koalition noch einmal zusammen – zumindest zum Teil. Die ehemaligen FDP-Minister Marco Buschmann und Bettina Stark-Watzinger erwiesen Scholz die Ehre. Der frühere Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner, den Scholz im erbittert geführten Ampel-Streit über den Haushalt entlassen hatte, blieb der Abschiedszeremonie dagegen fern. „Meine Abwesenheit hat keinen politischen Hintergrund. Heute Abend gehen väterliche Pflichten vor“, schrieb er auf X zur Begründung.
Vizekanzler Robert Habeck von den Grünen war dagegen ebenso dabei wie Außenministerin Annalena Baerbock. Sogar die frühere Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, die nach massiver Kritik ihren Rücktritt bei Scholz eingereicht hatte, kehrte an ihre alte Wirkungsstätte zurück. Zum Abschied gab es langen Applaus für Scholz, bevor er mit seiner Wagenkolonne vom Paradeplatz des Ministeriums fuhr.
Applaus für den scheidenden Kanzler: Beim Großen Zapfenstreich waren zahlreiche Politikerinnen und Politiker anwesend.
„Respect“ als Abschiedssong
Der Zapfenstreich ist eine Militärzeremonie, mit der traditionell alle Kanzler, Bundespräsidenten, Verteidigungsminister und hochrangige Militärs verabschiedet werden. Dabei dürfen die Geehrten drei Musikwünsche äußern. Scholz hatte sich für „In My Life“ von den Beatles, einen Auszug aus dem „2. Brandenburgischen Konzert“ von Johann Sebastian Bach und den Soul-Klassiker „Respect“ entscheiden, der in der Version von Aretha Franklin ein Welthit wurde.
Respekt war das zentrale Schlagwort von Scholz‘ erfolgreichem Bundestagswahlkampf 2021. Dem Bundestag wird Scholz auch nach seinem Ausscheiden als Kanzler angehören. Er hat ein Direktmandat in Potsdam gewonnen und will es bis zum Ende der Wahlperiode wahrnehmen.